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„Ein besonders schönes Symbol…“ – 30 Jahre Goethe-Gesellschaft Bonn
Die Anfänge der Bonner Goethe-Gesellschaft sind ein Geschenk der Wiedervereinigung: Im März 1991 bezog die junge Thüringer Landesvertretung beim Bund ihr eigenes Quartier in der Bonner Simrockstraße. Hier trafen sich am 6. Juli 1993 47 Mitglieder der neuen Goethe-Ortsvereinigung zur Gründungsversammlung. In seinem Grußwort aus Köln schrieb der damalige Präsident der Goethe-Gesellschaft in Weimar, Prof. Dr. Werner Keller: „Ein besonders schönes Symbol für die Zusammenarbeit der schmerzhaft geteilten Hälften unserer Nation ist die Gründung der Bonner Ortsvereinigung unter dem Zeichen der Thüringer Landesvertretung“.
Die Leitung der Versammlung lag bei Dr. Wolfgang Müller, dem Referenten für Kultur in der Landesvertretung und Hauptorganisator des geplanten Vereins. Ihm war es gelungen, Interessierte zusammenzuführen – zur Muttergesellschaft in Weimar gehörten bereits rund 200 Mitglieder aus dem Bonner Raum – und die äußeren Voraussetzungen für das sich rasch entwickelnde Vereinsleben zu schaffen. Auf seine Initiative hin trat der neu gegründete Verein als erste Ortsvereinigung der Goethe-Gesellschaft überhaupt im Januar 1994 dem Freundeskreis des Goethe-Nationalmuseums Weimar bei – unter dessen auswärtigen Mitgliedern bildeten die Bonner schon vorher die stärkste „Fraktion“. Im Sommer 1994 erfolgte offiziell der Beitritt zur Weimarer Goethe-Gesellschaft. Bis 1999 übernahm Dr. Müller das Amt des Stellvertretenden Vorsitzenden, blieb aber bis 2001 noch Mitglied des Vorstands. Er redigierte von 1994 bis 1999 die ersten Jahresgaben des Vereins und betreute bis 1996 gleich drei Vereinsreisen nach Thüringen, eine vierte und fünfte 1999 und 2008. Unter dem 14. März 2001 verlieh ihm die Bonner Goethe-Gesellschaft die Ehrenmitgliedschaft „als Dank und Anerkennung für seine Verdienste als Mitbegründer und Ideengeber“. Noch am 20. Mai 2016 hatte die Bonner Reisegruppe auf einer neuerlichen Exkursion nach Thüringen in der Ilmenauer „Tanne“ Dr. Müller und seine Frau zu Gast; auch die Führung durch „sein“ Goethehaus in Stützerbach zwei Tage später an einem strahlenden Sonntagmorgen wird unvergessen bleiben. Am 26. November 2019 verstarb der Initiator der Bonner Goethe-Gesellschaft in Ilmenau.
Die Bonner Ortsvereinigung war bei der Thüringer Landesvertretung bis zu deren Umzug nach Berlin im Juli 1999 mehr als gut aufgehoben: In ihren Räumlichkeiten befand sich die Geschäftsstelle; Schriftführerin und von 1999 bis 2009 auch 2. Stellvertretende Vorsitzende war Frau Cornelia Kothe. Von Beginn an Mitarbeiterin im Haus, führte sie die Geschäfte vom August 1999 bis 2009 dann vom Kulturamt der Stadt Bonn aus weiter, wohin sie übergewechselt war. Ausstellungen, Theaterveranstaltungen und die Jahresmitgliederversammlungen konnten in der Regel in der Landesvertretung stattfinden. Im Namen des Freistaats Thüringen erwies sich die damalige Ministerin für Bundesangelegenheiten, Frau Christine Lieberknecht, als großzügige Förderin der Vereinsaktivitäten. Auch die Geselligkeit kam nicht zu kurz – die Thüringer Sommerfeste der neunziger Jahre in Bonn waren legendär.
Tatkräftige Unterstützung, über das Jahr 1999 hinweg, wurde dem Verein durch den benachbarten Sparkassen- und Giroverband zuteil, dessen ehemaliger Stellvertretender Geschäftsführer, Dr. Walter Geiger, das Amt des Schatzmeisters von 1993 bis 2003 innehatte.
Erklärtes Ziel von Anfang an war eine enge Zusammenarbeit mit der Universität, naturgemäß vor allem mit dem Germanistischen Seminar. Gründungsvorsitzender war Prof. Dr. Jürgen Fohrmann (1993–1995). Ihm folgten Prof. Dr. Helmut Schneider (1995–2000), Prof. Dr. Harald Steinhagen (2000–2003) und Prof. Dr. Norbert Oellers (2003–2005) – ihnen verdankt der Verein seit der Gründung wesentliche Impulse. Von 2005–2009 übernahm Herr Andreas Loesch, Abteilungsleiter im Kulturamt der Stadt Bonn, den Vorsitz, ab 2009 Prof. Dr. Norbert Gabriel, der 2013 in das Amt des Stellvertretenden Vorsitzenden wechselte und es bis zu seinem Tod 2016 mit aller Sorgfalt wahrnahm. Sein Nachfolger als Vorsitzender ist seit 2013 der Verfasser dieser Zeilen, der ab 2009 als Stellvertreter fungiert hatte. Stellvertretender Vorsitzender seit 2017 ist Prof. Dr. Georg Schwedt. Außer den beiden Vorsitzenden gehören dem Vorstand als Schriftführer und Schatzmeister Herr Mirco Stockhausen sowie vier Beisitzer an: Dr. Peter Andersch, Elke Berger, Prof. Dr. Georg Guntermann und Paul Remmel.
Bis zum Umzug der Regierung nach Berlin ergaben sich Verbindungen zu einzelnen diplomatischen Vertretungen, über diesen Zeitpunkt hinaus zum Haus der Sprache und Literatur, bis heute zur Bonner Theatergemeinde sowie zu weiteren literarisch-kulturellen Institutionen. Gute Kontakte bestehen zu den Ortsvereinigungen in Aachen und Köln.
Seit den frühen Thüringen-Fahrten bilden Exkursionen einen besonderen Schwerpunkt des Programms. Die Eröffnung der Casa di Goethe im Mai 1997 war Anlass für eine Reise nach Rom im November desselben Jahres; Frau Ursula Bongaerts, bis 2013 Leiterin des Hauses, sprach 2005 im Verein über die Casa. Die Exkursion im Schiller-Jahr 2005 führte nach Marbach, 2006 war Böhmen mit Karlsbad, Marienbad und Franzensbad das Ziel, 2007 das Elsass. „Mit Goethe in der Schweiz“ hieß 2009 das Motto einer Fahrt an den Vierwaldstätter See und in das Berner Oberland, 2011 bewegten sich Mitglieder und Gäste der Gesellschaft – die Einladung an Nichtmitglieder gehört zu den festen Regularien bei der Vorbereitung einer Fahrt – auf den Spuren der „Campagne in Frankreich“. 2013 ging es nach Sachsen (unter kundigster Führung durch Leipzig mit Dr. Josef Mattausch), 2016 neuerlich nach Thüringen (mit freundlichster Aufnahme in der Weimarer Geschäftsstelle am 23. Mai), 2019 nach Bad Pyrmont und Göttingen. „Nach Innen geht der geheimnißvolle Weg“ hieß das Motto des Besuchs im neuen Deutschen Romantik-Museum 2020 – ein Höhepunkt der vielfachen Fahrten nach Frankfurt am Main – und im Brentano-Haus in Winkel; Nassau und Bad Ems waren die Hauptstationen einer Lahnfahrt im Jahr darauf. „Mit Goethe in Wiesbaden“ – die Exkursion im Mai 2023 führte Schauplätze von Goethes beiden Kuraufenthalten dort vor Augen.
Als roter Faden durch die Geschichte der Bonner Goethe-Gesellschaft erweisen sich bis heute ihre Jahresgaben, in denen einige der jeweils gehaltenen Vorträge schriftlich vorgelegt werden; seit 2009 erscheinen sie in neuer Gestalt beim Siegburger Bernstein-Verlag und sind damit auch im Buchhandel erhältlich.
Auch im Rahmen der Ausstellung „Goethe. Verwandlung der Welt“ in der Bundeskunsthalle vom Sommer 2019 konnte die Goethe-Gesellschaft Bonn, die gegenwärtig 64 Mitglieder zählt, für ihr Anliegen werben. Mehr als zwei Jahre lang hat danach Corona auch in unserer Ortsvereinigung das Programm erschwert. Nun aber soll es wieder neue Fahrt aufnehmen – so, wie die Satzung es wünscht: mit dem Ziel, „das Verständnis für das Werk und die Zeit Goethes und der Weimarer Klassik bei den Mitgliedern und in einer breiten Öffentlichkeit zu fördern“.