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Ortsvereinigungen

75 Jahre Goetheverein in Plauen

von Barbara Pendorf

Theater Plauen (Bildnachweis: Carolin Eschenbrenner/Wikimedia Commons)

In der vogtländischen Stadt Plauen begeht unser kleiner Ortsverein der Goethegesellschaft in Weimar 2021 den 75. Jahrestag seiner Gründung. Die aktuelle Situation mit der allgemeinen Ungewissheit, ihren Einschränkungen und Verboten lässt es nicht zu, dieses Ereignis mit unseren Mitgliedern und Freunden festlich zu begehen. So wollen wir wenigstens im Newsletter 2021 mit einer kleinen Zeitreise zur Geschichte unseres Vereins dazu beitragen, diesem Jubiläum einen würdigen Rahmen zu geben. Durch das etwas ausführliche namentliche Benennen von Personen möchten wir auch diejenigen posthum ehren, die dazu beitrugen, dass der Goetheverein heute eine feste Größe im Kulturleben unserer Stadt ist.

Vorausschickend muss gesagt werden, dass es außerordentlich schwierig war, zu diesem Thema adäquates Material zu erhalten. Im Stadtarchiv fand sich überraschend wenig, wohl auch, weil zur ‚Wende‘ vieles, nach Berichten von Zeitzeugen, in einem Container im Innenhof des Rathauses gelagert und ‚entsorgt‘ wurde. So waren wir auf die wenigen Dokumente angewiesen, die sich im Privatbesitz befinden, und an die Erinnerungen der wenigen noch lebenden Zeitgenossen.

1946 – Europa lag in Trümmern und auch Plauen war zu 80% im Bombenhagel zerstört worden. Doch die Stadt der Spitze hatte insofern etwas Glück, dass der damalige sowjetische Stadtkommandant Komarow ein großer Kunst- und Kulturliebhaber war und sich sehr für das Wiedererstarken des Kulturlebens in Plauen einsetzte. Dadurch war es auch möglich, dass das zerstörte Plauener Theater rasch wiederaufgebaut wurde und bereits im Oktober 1945 als eines der ersten Theater in Deutschland wieder bespielbar war. Ebenso unterstützte Komarow die Gründung der Ortsvereinigung Plauen im „Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands“ im Dezember 1945.

Im Jahr darauf wurde in Plauen der „Goethekreis“ als Ortsverein der Muttergesellschaft mit Sitz in Weimar von Herrn Albert Leupold gegründet, der gleichzeitig sein erster Leiter war. Nur wenige Mitglieder zählend, war der Verein anfangs erfolgreich als Interessengemeinschaft im Kulturbund Plauen. Die Jahre 1950 – 1953 waren von Konflikten und Spannungen unter den Mitgliedern sowie einem drohenden Aus geprägt. Dank der erneuten Initiative von Herrn Albert Leupold konnte ab 1954 eine zunehmende Kontinuität in der Vereinsarbeit verzeichnet werden und ab 1955 kam es wieder zu regelmäßigen Treffen der Mitglieder.

Wir müssen nun einen kleinen Zeitsprung bis ins Jahr 1962 machen, da es keine Dokumente für den Zeitraum 1955 – 1962 gibt. Einzig eine Frau Bertha Hilpert wurde von Zeitzeugen erwähnt. Sie war die Leiterin der Vogtlandbibliothek und hatte wohl auch den Vorsitz des Vereins übernommen. Genaueres ist leider nicht zu eruieren. Nachweislich übernahm 1962 Herr Gerhart Küster den Plauener Literaturverein und stand diesem bis 1976 vor. Dann zwangen ihn das Alter und zunehmende gesundheitliche Probleme, das Amt niederzulegen. Er hatte somit „die Ortsvereinigung in Plauen 14 Jahre geleitet und dabei etwa 140 Veranstaltungen unterschiedlicher Art mit Goethe‘schen Bezügen durchgeführt“ (Brief an die Goethegesellschaft Weimar vom 20.01.1977). Unterstützt wurde er viele Jahre von Frau Erika Hingst, die 1976 plötzlich verstarb. Die ebenfalls der Leitung angehörende Frau Herta Rothe bemühte sich in den folgenden Monaten, die Kontinuität und Stabilität der Vereinsarbeit zu gewährleisten.

Es war ein großes Glück, dass Herr Harri Müller, ein ehemaliger Fachlehrer für Deutsch, Kunsterziehung und Musik sowie langjähriger Dramaturg am Plauener Theater, zusammen mit Frau Herta Rothe die Leitung des Ortsvereins ab 01.01.1977 für die folgenden 14 Jahre übernahm. Komplettiert wurde der Vorstand durch Herrn Feustel. Die Programmgestaltung folgte auch in diesen Jahren den Grundsätzen der Pflege humanistischen Kultur- und Gedankengutes im Sinne des Goethe‘schen Vermächtnisses, war dabei jedoch auch zeitnah und ohne thematische Engherzigkeit. Auch in diesem Zeitraum blieben Differenzen und Spannungen nicht aus und mehrfach stand der Verein vor seiner Auflösung. Doch immer wieder haben Besonnenheit und Rückbesinnung auf Ziel und Zweck des „Goethekreises“ zu dessen Fortbestehen geführt. In den Jahren 1990 – 1992 war vor allem die Intensivierung der Beziehungen zu den Ortsvereinen in den alten Bundesländern z. B. mit Exkursionen nach Bamberg und Kronach vordergründig. Ende 1992 musste Herr Harri Müller, von zunehmender Krankheit gezeichnet, die Leitung des Goethevereins Frau Hertha Rothe übergeben.

Nun haben wir erneut ein weißes Blatt vor uns liegen, müssen wieder einen Zeitsprung machen und wissen nicht, was in den Jahren 1993 – 1996 mit dem Goetheverein in Plauen passierte. Im Januar 1997 fanden sich einige Plauener Bürger zusammen, um „dem bisherigen Interessenkreis um klassische und moderne Literatur, kurz Goethekreis, einen neuen, festeren und für die Gemeinnützigkeit attraktiveren Rahmen zu geben“. Der neue Vorstand bestand aus Herrn Andreas Schuster (Vorsitzender und Schatzmeister), Frau Marianne Agsten (2. Vorsitzende) und Frau Ilse Schwabach (Schriftführerin). Doch bereits im November 1997 gab Herr Schuster den Vorsitz ab und im März 1998 wurde ein neuer Vorstand gewählt. Diesem gehörten Herr Marc Ernesti als 1. Vorsitzender, Herr Andreas Schuster als 2. Vorsitzender und Frau Gertraud Markert als Kassenwart an. In einem Brief an die Goethegesellschaft in Weimar vom 08.04.1999 wurde festgestellt, dass das Jahr 1998 ein gutes war. „Reich an exquisiten Vorträgen, Resonanz aus der hiesigen Bevölkerung, engagierter Mitarbeit der Vereinsmitglieder haben wir auf dem Plauener Stimmungsbarometer sonnige Höhen erklommen.“

Eine erneute Wahlveranstaltung fand im Mai 1999 statt und hier übernahm Frau Gertraud Markert für die folgenden 19 Jahre den Vorsitz. Ihr zur Seite standen anfangs Herr Andreas Schuster als 2. Vorsitzender und Frau Sabine Michaelis als Schriftführerin, später nur noch Frau Michaelis. Damit zogen für viele Jahre Ruhe und Kontinuität in der Vereinsarbeit ein. Mit zehn Veranstaltungen im Jahr und einem kleinen, aber konstanten Zuhörerkreis wurde der Goetheverein zu einem festen Bestandteil des Kulturlebens unserer Stadt. Es wurden Kontakte zu den umliegenden Ortsvereinen ebenso wie zur Muttergesellschaft in Weimar gepflegt und regelmäßig die Jahresveranstaltungen der Goethegesellschaft besucht. Doch dem Alter und zunehmender Schwäche musste auch Frau Gertraud Markert Tribut zollen und im Oktober 2017 den Vorsitz abgeben. Dabei war es für sie eine große Freude und Beruhigung, dass sie wusste, dass ihr „liebstes Kind“ weitergeführt wurde. Die neue Vorsitzende war Frau Dr. Barbara Pendorf, den 2. Vorsitz übernahm fortführend Frau Sabine Schott (ehemals Michaelis).

Ziel des Vereins ist auch weiterhin die Förderung und Pflege des geistigen Erbes anhand schöngeistiger und geisteswissenschaftlicher Literatur und künstlerischer Beiträge. Diese werden wie seit vielen Jahren zehnmal jährlich literaturinteressierten Bürgerinnen und Bürgern angeboten. Dabei haben wir die Themenvielfalt etwas ausgedehnt und es stehen neben schauspielerischen Darbietungen auch Vorträge mit musikalischer Umrahmung auf dem Programm. Mit Freude stellen wir fest, dass sich sowohl die Mitgliederzahl erhöht als auch der Zuhörerkreis erweitert hat. Dabei sehen wir einen Schwerpunkt unserer Arbeit in der Gewinnung vor allem auch jüngerer Zuhörer. Wir konnten eine gezielte Zusammenarbeit mit anderen Vereinen (Literaturverein „Julius Mosen“) und mit städtischen Institutionen (Vogtlandbibliothek) ausbauen und intensivieren. Dankbar sind wir hier vor allem der Vogtlandbibliothek, die uns seit Jahrzehnten ihre Räume für unsere Veranstaltungen kostenlos zur Verfügung stellt, sowie dem Kulturraum Vogtland – Zwickau und der Stadt Plauen für ihre finanzielle Unterstützung. Wir bemühen uns, die guten Kontakte zu anderen Ortsvereinen und zur Muttergesellschaft in Weimar zu pflegen und zu erhalten. Um unser Vereinsleben zu intensivieren und interessanter zu gestalten, haben wir eine alte Tradition wiederaufgenommen und wollen jährlich eine Exkursion „auf Goethes Spuren“ durchführen. Der Anfang wurde 2019 mit Schloss Kochberg gemacht, das nächste Ziel sind die Dornburger Schlösser. Auch wenn die vergangenen 1 1⁄2 Jahre für unseren Verein, durch die Coronapandemie bedingt, nahezu Stillstand bedeuteten, so freuen wir uns auf die nun kommenden neuen Treffen mit hochinteressanten Gästen und gedenken damit der Worte von Johannes R. Becher: „Es ist nicht so, dass Goethe etwa heute der Vergangenheit angehört. Teilweise gehört Goethe der Vergangenheit an, teilweise erleben wir ihn als Gegenwart, aber das eigentliche Goethe‘sche Wesen liegt in der Zukunft.“

Dieser Artikel erschien zuerst im Newsletter der Goethe-Gesellschaft, Ausgabe 3/2021.

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