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„Dichters Lande“– Reiseführer und Biografie über Friedrich Schiller
Viele unserer Ortsvereinigungen laden zu Exkursionen ein. Natürlich auf Goethes Spuren, ebenfalls auf denen von Schiller. Nicht nur die Gedenkstätten eignen sich als Ziel, sondern auch andere Häuser, geschmückt mit Tafeln, hier hätten sie übernachtet oder gespeist. Orte gibt es, an denen wichtige literarische Texte entstanden. Viele Leser schätzen neben dem akademischen Zugang die Möglichkeit, sich Dichtern an historischen Orten ihres Lebens und Wirkens zu nähern. Bei aller Vorsicht, mit der scheinbare Authentizität zu genießen ist.
Die Vorbereitung solcher Reisen zu erleichtern, eignet sich der Band von Andreas Maria Hogrebe. Er hat einen „Reiseführer zu Friedrich Schiller“ vorgelegt und folgt dabei Leben und Wegen des Schwaben und Wahl-Weimarers, bietet also auch eine Biografie. Überschrieben hat er sein Buch mit einem Zitat: „Mein Atem dürstet nach Freiheit“. Zum Teil waren Schillers Reisen schlicht Fluchten: Zum Militärdienst gezwungen, sah Schiller keine andere Möglichkeit, wollte er als Autor der „Räuber“ Menschenrechte wahrnehmen, als vor dem feudalen Landesvater von Gottes Gnaden aus Württemberg zu fliehen und die Heimat, Freunde und Familie zurückzulassen.
Zwänge bestimmten bereits den Lebenslauf des Schülers. Auf Wunsch des Herrschers war er genötigt, in die Militärakademie Carlsschule einzutreten. „Zweimal wies der Vater dieses Ansinnen des Herzogs zurück. Eine Demütigung oder Entlassung als Offizier wollte er als pflichtbewusster Mensch auf keinen Fall riskieren und willigte schweren Herzens ein“ (S. 129), fasst der Autor diesen fürstlichen Druck zusammen.
Weitgehend folgt Hogrebe in seiner Kombination aus Reiseführer und Biografie dem Leben Schillers, ordnet es freilich nach eigenen Akzenten. So beginnt er mit der „Flucht aus Stuttgart“ 1782 (S. 13–21) mit dem Freund Andreas Streicher nach dem Erfolg der „Räuber“. Mannheim hat sogar eine eigene „Schillerroute“ angelegt: Sie zieht sich hin bis „zum Schlossgarten mit dem Gedenkstein zu Ehren Anna Hölzels, die Schiller zusammen mit ihrem Mann vor ärgster Geldnot rettete, obwohl das Ehepaar selbst kaum Geld hatte. Später revanchierte sich Schiller, als die Hölzels selbst in arge Not gerieten“ (S. 47).
Hogrebe listet Freunde und vorübergehende Wohnorte auf. Henriette von Wolzogen „überlässt dem Flüchtling Schiller drei Zimmer im Obergeschoss ihres Landgutes“ (S. 31) in Bauerbach, immerhin vom Dezember 1782 bis zum Juli 1783. Ihr Sohn Wilhelm von Wolzogen war ebenfalls Zögling der Militärakademie. Beide hatten sich angefreundet. Da Schiller sich unerlaubt zur Premiere nach Mannheim entfernte, muss er die Rache seines Fürsten fürchten. Schiller hat das Schicksal von Christian Friedrich Daniel Schubart warnend vor Augen, den inhaftierte der Herzog ohne jeden Prozess für 10 Jahre im Kerker der Festung Hohenasperg. Damals in den deutschen Landen als Justizskandal kritisiert, in vordemokratischen Verhältnissen aber möglich.
Von Bauerbach aus besucht Schiller Meiningen und dessen Hofbibliothek, freundet sich mit dem Bibliothekar an: Wilhelm Friedrich Hermann Reinwald, einem Bekannten Henriettes von Wolzogen, später wird der sein Schwager und Schillers Schwester Christophine heiraten. Einige der Gebäude, in denen sie sich trafen, sind erhalten und zu besichtigen, wie das Schloss. Dort befand sich die Hofbibliothek.
Leipzig hat nicht nur Goethes Denkmal auf dem Naschmarkt und vis-à-vis Auerbachs Keller zu bieten, sondern auch einige Gedenkorte Schillers. Im ältesten erhaltenen Gebäude von Gohlis aus dem Jahr 1717 kann man eine von ihm getragene Weste besichtigen und auf der Tafel nachlesen, dass hier „das Lied an die Freude im Jahre 1785“ entstand (S. 56). Nachträglich wurde es erweitert, bevor Schiller einzog. Ein Balken stützt das obere Stockwerk ab. In diesem Haus läuft man durch enge Räume, in denen Literatur- und letzten Endes auch Musikgeschichte geschrieben wurde, die Vorlage für die Europa-Hymne formuliert. Erinnert wird auch an einen weniger glücklichen Kollegen Schillers: „1841 initiierte der Kölner Robert Blum, dieses originale Bauernhaus als Schiller-Gedenkstätte einzurichten“ (S. 54). Robert Blum wurde bei Wien 1848 standrechtlich erschossen.
Mit zahlreichen aktuellen Fotos und Angaben der Sehenswürdigkeiten folgt Hogrebe Schillers weiteren Lebensstationen. In Dresden lernt er seinen Freund Gottfried Körner kennen, logiert unter anderem in dessen Gartenhäuschen in Loschwitz: „mit 22 Quadratmetern das kleinste Museum der Stadt Dresden“ (S. 66). Bei einem späteren Besuch trifft Schiller in Bauerbach seinen Freund Wilhelm von Wolzogen, der regt an, gemeinsam nach Weimar aufzubrechen und dabei auf dem Weg von Wolzogens „superkluge Cousinen“ (S. 82) zu besuchen. Das Kapitel: „Rudolstadt und die ewige Liebe“ (S. 82–91) beschreibt das dortige Schillermuseum, andere Gedenkorte und die sein Leben verändernde Begegnung mit den Schwestern von Lengefeld. In Wenigenjena werden Charlotte von Lengefeld und Schiller 1890 heiraten, in der „Schillerkirche“ erinnert eine Gedenktafel daran, dass es „an diesem Altar d. 22. Febr. 1790“ geschah (S. 109). Ebenfalls erhalten ist der Hörsaal des Theologen Johann Jacob Griesbach, dort hielt Schiller seine Antrittsvorlesung: „Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?“
Als „Glückliches Ereignis“ würdigte Goethe ihr entscheidendes Gespräch in Jena. Zwar waren sie sich öfter begegnet, doch wollte sich kein freundschaftlicher Kontakt einstellen. Erst 1794, nach einem Vortrag der Naturforschenden Gesellschaft, finden sie zueinander, lädt Schiller Goethe ein, an den „Horen“ mitzuwirken. Erhalten ist Schillers „Gartenhaus“ mit großem Arbeitszimmer in Jena, die „Gartenzinne“ dort, in der er am „Wallenstein“ arbeitete, wurde abgerissen und erst 1979 wieder errichtet. An der früheren Esplanade, dem aufgefüllten Stadtgraben, heute Schillerstraße, bezog Schiller 1802 im eigenen Haus seine letzte Wohnung. Als man das Gebäude umfassend renovierte und einen wandfesten Schrank entfernte, fand sich eine recht kindliche Zeichnung. Sie stellte einen Herren dar, mit etwas gutem Willen lässt sich Freund Goethe darin erkennen.
Zahlreiche gut erläuterte Abbildungen in Farbe illustrieren den Band und erleichtern es vor Ort, die entsprechenden Baudenkmäler zu finden, fast hat man das Gefühl, Schiller auf seinem Lebensweg begleiten zu können. Aufgelistet sind die verschiedenen Gedenkstätten. Eine ausführliche Zeittafel (S.172–177), ein Orts- und ein Personenverzeichnis (S. 184–188) helfen bei der Orientierung angesichts von Schillers kurzem, aber bewegtem Leben. Andreas Maria Hogrebe hat hier einen Reiseführer vorgelegt. „In Dichters Lande“ gehen, bietet sich bekanntlich an, um Autoren und Dichtung zu verstehen. Mit diesem Buch wird dieses Vergnügen als reine Lektüre auch virtuell möglich.
Andreas Maria Hogrebe
„Mein Atem dürstet nach Freiheit“ Der Reiseführer zu Friedrich Schiller
Hildesheim 2024
200 Seiten, mit zahlreichen Abbildungen
ISBN 978-3-75820803-4
Preis: 19,80 €