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Stipendiatinnen im Gespräch: Tingtin Wu
Frau Wu bereitet gegenwärtig an der Friedrich-Schiller-Universität Jena eine Dissertation vor, die sich u. a. der Gestaltung der Frau in den Werken des jungen Goethe zuwendet. Wenngleich ihr Aufenthalt in Weimar pandemiebedingt nicht optimal gestaltet werden konnte, bot ihr Weimar gleichwohl wichtige Erlebnisse und Erkenntnisse.
Wie haben Sie selbst zur deutschen Kultur gefunden, welche Einflüsse haben eine besondere Rolle gespielt?
Ich spiele seit vielen Jahren Klavier. Der Komponist und Pianist Ludwig van Beethoven gehört zu meinen Favoriten. Seine Klaviersonate Nr. 8 in c-Moll op. 13 ist mein Lieblingsstück. Ich habe viele Stücke von ihm seit meiner Kindheit gespielt und diese Stücke oft auf der Bühne vorgetragen. Mein einfacher und naiver Wunsch: „Ich möchte die Sprache lernen, die Beethoven sprach“ ebnete mir den Weg zum Deutschlernen.
Während meines Bachelorstudiums habe ich im Jahr 2013 ein Austauschprogramm an der Europa Universität Viadrina gemacht. Damals war es mein erster Auslandsaufenthalt. Neben dem Studium besuchte ich noch viele Städte, wie Berlin, Göttingen, auch Jena und Weimar in Deutschland. Durch dieses einjährige Austauschprogramm habe ich meinen Horizont erweitert. Seitdem interessiere ich mich sehr für die literarischen und philosophischen Werke der Weimarer Klassik und der Romantik. Die Gemälde und Holzschnitte Ernst Ludwig Kirchners und Albrecht Dürers bezauberten mich. Die reiche ‚klassische‘ Atmosphäre einerseits, die Bauhaus-Tradition der Stadt Weimar andererseits haben mir besonders gefallen.
Deswegen habe ich die Universität Jena mit dem Masterstudiengang „Deutsche Klassik im europäischen Kontext“ ausgewählt. Während meines Masterstudium habe ich die Entscheidung getroffen, auf der akademischen Laufbahn weiterzugehen.
Wie haben Sie das Thema für Ihre wissenschaftliche Arbeit gefunden?
Wenn ich Bücher lese, gewöhne ich mich als Frau daran, weiblichen Figuren mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Seit langer Zeit interessiere ich mich auch für die Diskurse über die Gleichheit der Geschlechter in der Gesellschaft und die Frauenbewegungen in der Geschichte. Während meines Masterstudiums habe ich einige Werke von Rousseau, Kant und Fichte gelesen, die sich auf die Geschlechterdifferenz beziehen. In meiner Masterarbeit versuchte ich Goethes Drama „Iphigenie auf Tauris“ in der Verbindung mit Kants Moralphilosophie zu analysieren. Mein Promotionsvorhaben ist eine Fortsetzung meiner Masterarbeit.
Was wussten Sie von Weimar, bevor Sie die Stadt kennengelernt haben? Was wussten Sie über die Goethe-Gesellschaft?
Ich habe Weimar als die Stadt der Klassik in einem chinesischen Buch kennengelernt. Ich wusste aus diesem Buch auch, dass Goethe einen großen Teil seines Lebens und der geistig umnachtete Nietzsche die letzten Jahre seines Lebens mit seiner Schwester in Weimar zugebracht hat.
Ich habe den Namen „Goethe-Gesellschaft“ im Jahr 2013 zum ersten Mal in einer Nachricht gelesen, als Prof. Wuneng Yang mit der Goethe-Medaille der Goethe-Gesellschaft Weimar ausgezeichnet worden ist.
Wie beurteilen Sie den Verlauf Ihrer Studien in Weimar; gibt es Wünsche, bei deren Erfüllung die Goethe-Gesellschaft helfen kann?
Trotz der Corona-Pandemie hatte ich mit Unterstützung der Goethe-Gesellschaft Zugang zu den fruchtbaren Materialien in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek, so dass ich bei meiner Dissertation erhebliche Fortschritte machen konnte. Außerdem sind mir auch die umfassenden und reichhaltigen Bibliographien und Nachlässe (Online-Datenbanken des Goethe- und Schiller-Archivs) und die internationale Bibliographie zur Deutschen Klassik 1750-1850 (classics online) während dieser Zeit sehr vertraut geworden. Ich bedanke mich mit vollem Herzen bei der Goethe-Gesellschaft Weimar für die allseitige Unterstützung. Unter den besonderen Corona-Umständen habe ich die möglichste Hilfe von der Goethe-Gesellschaft erhalten, deswegen lässt diese dreimonatige Aufenthalt in Weimar keine Wünsche offen. Ich hoffe, dass diese Pandemie bald in den Griff bekommen wird, damit vielfältige Veranstaltungen hier vor Ort stattfinden können.
Wie ist Ihr aktueller Eindruck von Deutschland allgemein, ist Ihnen etwas Besonderes aufgefallen, im guten wie im weniger guten Sinne?
Im Allgemeinen habe ich einen sehr guten Eindruck von Deutschland. Deutschland besitzt einen sehr guten Ruf weltweit wegen der Sauberkeit und Ordentlichkeit. Es ist mir auffallend, dass das materielle und immaterielle nationale Kulturerbe in Deutschland nach Generationen in aller Ernsthaftigkeit sehr gut geschützt ist. In der deutschen akademischen Welt habe ich bisher viele geistreiche und freundliche Leute kennengelernt, von denen habe ich viel gelernt und Unterstützung bekommen.In Deutschland habe ich ein interessantes Sprichwort von einem Freund gelernt: „Formulare, Formulare, von der Wiege bis zur Bahre“. Es gibt tatsächlich viele Formulare in allen Lebensbereichen in Deutschland, die man ausfüllen muss. Aber das schafft auf jeden Fall einen guten Sinn für die Ordentlichkeit der Gesellschaft.