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Stipendiatinnen im Gespräch: Anna Khukhua
Anna Khukhua und Tamari Napetvaridze, Stipendiatinnen aus Kutaissi in Georgien, haben in Weimar zu Goethe-Themen des 20. Jahrhunderts gearbeitet. Frau Khukhua beschäftigte sich mit Thomas Manns „Lotte in Weimar“, Frau Napetvaridze mit der Persönlichkeitsgestaltung in Goethes „Wilhelm-Meister“-Romanen und Hesses „Glasperlenspiel“.
Wie haben Sie selbst zur deutschen Kultur gefunden, welche Einflüsse haben eine besondere Rolle gespielt?
Mein Land Georgien hat eine ganz besondere kulturelle Beziehung zu Deutschland. Am Anfang habe ich Deutsch von meiner Mutter sozusagen ‚kennengelernt‘, die Deutsch sprach und deutsche Sprache, Literatur, Kunst und Kultur sehr liebte. Dann mein Onkel, der während des Zweiten Weltkriegs in Berlin in der Wehrmacht in einer Abteilung des kaukasischen Verbindungsstabs arbeitete. Er sprach fließend Deutsch und liebte das deutsche Volk sehr.
Auch meine Schule in Kutaissi, wo ich als Fremdsprache Deutsch gelernt habe, hat eine große Rolle gespielt. Während meiner Schulzeit fand alljährlich eine Spracholympiade statt: „Deutsch! Warum nicht?!“ Begründer und Organisator dieser Olympiade war der bekannte georgische Germanist Angelo Berodze. Auch diese Olympiade erweckte mein Interesse, Deutsch weiter zu lernen. So wurde ich Studentin der Fakultät für deutsche Sprache und Literatur der Akaki-Zereteli Universität. Besonderen Einfluss haben auf mich Seminare und Vorlesungen von Frau Prof. Nanuli Kakauridze zur Geschichte der deutschen Literatur ausgeübt. An der Universität gab es damals einen sogenannten Deutschclub, wo wir Studenten außerhalb des Studiums deutsche Volkslieder und Landeskunde, deutsche Sitten und Spezialitäten kennengelernt haben. Das alles hat bei mir noch größeres Interesse geweckt.
Wie haben Sie das Thema für Ihre wissenschaftliche Arbeit gefunden?
Dafür habe ich mich aus mehreren Gründen entschieden. In Thomas Manns Roman „Lotte in Weimar“ kommen Goethe und Thomas Mann zusammen. Da ich vorhatte, nach Deutschland zu fahren, war es sehr wünschenswert, Goethes Weimar kennenzulernen. Mein Hauptgrund war, Thomas Manns Goethe-‚Imitation‘ besser zu verstehen. Wie gelingt es Thomas Mann, Goethe nach so langer Zeit wieder lebendig zu machen? Mit welchen Kunstmitteln, mit welcher Technik ‚reinkarniert‘ er Goethe? Warum ist Goethe ein Vorbild für Thomas Mann, was sagt der Schriftsteller durch Goethes Mund aus seinem amerikanischen Exil? Warum war Goethe für Thomas Mann ein gegenwärtiger Mensch, ein Zeitgenosse? Aus all diesen Gründen habe ich mich für Thomas Manns Goethe entschieden.
Was wussten Sie von Weimar, bevor Sie die Stadt kennengelernt haben? Was wussten Sie über die Goethe-Gesellschaft?
Von Weimar wusste ich, dass in dieser kleinen Stadt große Menschen – Goethe und Schiller, Bach und Liszt, Nietzsche und Rudolf Steiner – gelebt haben; große Künstler und berühmte Maler haben am Bauhaus gearbeitet. Ich hatte auch Informationen über die Weímarer Republik und über Buchenwald.
Weimar habe ich im Jahre 1997 kennengelernt, als ich zum ersten Mal nach Deutschland gefahren bin und erste Eindrücke von Deutschland als Stipendiatin der Goethe-Gesellschaft in Weimar erlebt habe. Meine ersten Eindrücke waren mit Goethe und Schiller, mit Kunst und Kultur allgemein, mit Schönheit, mit der Geschichte des Bauhauses verbunden.
Wie beurteilen Sie den Verlauf Ihrer Studien in Weimar; gibt es Wünsche, bei deren Erfüllung die Goethe-Gesellschaft helfen kann?
Mein jetziger Aufenthalt ist wie der erste im Jahr 1997 auch voller Emotionen, Eindrücke, Erfolge. Auch in der Periode der Corona-Pandemie, auch in solchen Beschränkungen habe ich in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek alle Möglichkeiten, die ich für meine Arbeit brauche. Dank der Goethe-Gesellschaft fühle ich ständige Unterstützung, große Wärme und viel ‚Komfort‘.
Es wäre sehr gut, wenn Museen, Theater, Ausstellungen, Galerien, Konzerte funktionierten, aber das ist ein Weltproblem und während der Pandemie ganz unmöglich!
Wie ist Ihr aktueller Eindruck von Deutschland allgemein, ist Ihnen etwas Besonderes aufgefallen, im guten wie im weniger guten Sinne?
Von Kindheit an war Deutschland mein Lieblingsland, mein Traumland. Jetzt ist Deutschland für mich wie mein zweites Zuhause, wo ich mich wohl und gut fühle.
Herzlichsten Dank dafür, dass meine erste Begegnung mit Deutschland und deutscher Kultur gerade dank der Goethe-Gesellschaft in Weimar stattfinden konnte.