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Goethe weltweit

维尔纳·凯勒图书室* – Ein Wunsch Prof. Dr. Werner Kellers erfüllt sich

von Peter Krüger-Wensierski

Am 23. Februar 2018 starb Prof. Dr. Werner Keller im Alter von 88 Jahren. Die Erinnenerung an ihn lebt weiter, verbunden mit einem Gefühl der Dankbarkeit gegenüber einem Menschen, der als akademischer Lehrer, als Wissenschaftler und als Präsident der internationalen Goethe-Gesellschaft in Weimar Bedeutendes geleistet hat. Mit der Persönlichkeit Werner Kellers verband sich eine ermutigende Grundhaltung, die Bereitschaft, Menschen zu fördern und in Not zu helfen. Auch sein Wunsch, die umfangreiche persönliche Bibliothek der Southwest Jiaotong University zu Chengdu zur künftigen Nutzung für angehende chinesische Germanisten zu übereignen, ist Ausdruck einer von der Ethik Goethes geprägten Haltung.

Die Schenkung umfasst mehr als 3000 Bände und etwa 250 Sonderdrucke. Weiter erhält die Southwest Jiatong University erstmals einige maßgebliche Goethe-Ausgaben. Der Schwerpunkt der übereigneten Bibliothek liegt bei Primärtexten des 18. Jahrhunderts. Hinzu kommen größere Bestände an Sekundärliteratur sowie Ausgaben zur Literatur des 20. Jahrhunderts.

Für einen akademischen Forscher und Lehrer gibt es wenig mehr an greifbarer geistiger Gegenständlichkeit als die in Jahrzehnten wissenschaftlicher Beschäftigung gewachsene eigene Bibliothek. Die Frage nach den Motiven einer Schenkung bietet sich an, der Versuch einer Antwort führt auch hier über Weimar. In seiner Dankrede anlässlich der Verleihung der Goldenen Goethe-Medaille 2013 hat Prof. Dr. Yang Wuneng (Chengdu) mit größter Dankbarkeit auf die Begegnung mit Werner Keller im Jahr 1997 Bezug genommen: „1997 kam ich glücklicherweise in Kontakt mit ihm. Dann hat er mir den Weg nach Weimar […] geebnet. Ihm und der Goethe-Gesellschaft habe ich das zu verdanken, was Herr Präsident Dr. Golz in seiner Laudatio über mich gesagt hat.“ Erstaunlich – beide Männer sind sich nur wenige Male begegnet, aber die gegenseitige Wertschätzung war groß und wirkte als nachhaltige Verbundenheit. Der herausragende Repräsentant der chinesischen Goetheforschung, der Germanist Prof. Yang Wuneng, hatte 1981 Goethes „Werther“ ins Chinesische übersetzt, heute dürften es mehr als anderthalb Millionen Leser sein, denen er mit seiner Übersetzung den Weg zu Goethe wies. Wir verdanken ihm Übersetzungen der Gedichte und Romane – und der „Faust“-Dichtung ins Chinesische. 1999 legte er, unterstützt von einer Gruppe chinesischer Germanisten, die 14 Bände umfassende chinesische Goethe-Werkausgabe vor. Yang Wunengs Bekenntnis zu Goethe war vor allem auch ein persönliches, das sich in den leidvollen Erfahrungen der sog. Kulturrevolution bewähren sollte. Mit vielen Leidensgenossen zwecks ‚Umerziehung‘ zur Landarbeit genötigt, arbeitete Yang lange Zeit u.a. als Schweinehüter. In seinen autobiografischen Notizen lesen wir in Verbindung mit den Schlusszeilen aus Goethes „Prometheus“-Hymne: Aus den Versen Goethes „schöpfte ich stets Mut und Kraft zum Leben und Streben. Denn ich bin von da an bereit, in dem eben nicht leichten Leben unserer Generation zu weinen, zu leiden, zu genießen und sich zu freuen, aber mich dem Schicksal nicht zu beugen.“ Dass die Auseinandersetzung mit Goethe über den Gegenstand der Forschung hinaus existentielle Bedeutung für Menschen haben darf, ja sollte, dafür hatte Werner Keller einen ausgeprägten Sinn, verbunden mit einem historischen Gespür für Situationen, in denen er sich gefordert sah und es galt, Verantwortung zu übernehmen. Das trifft zumal auf die Herausforderungen zu, denen er sich als erster Präsident der Goethe- Gesellschaft im vereinigten Deutschland seit 1991 zu stellen wusste, ebenso wie für vielfältig geleistete Hilfe beim Aufbau von Goethe- Gesellschaften in Staaten des ehemaligen ‚Ostblocks‘ nach dem Ende der Sowjetunion, nicht zu vergessen das Engagement des Ehepaars Keller für den russischen Germanisten und Dissidenten Lev Kopelev wie auch für die umfassend geleistete Hilfe, die behinderte Kinder und bedürftige alte Menschen in Georgien erreichte. Das für junge Wissenschaftler von ihm ins Leben gerufene und geförderte Stipendium der internationalen Goethe-Gesellschaft Weimar bleibt mit seinem Namen verbunden.

Bücher der Werner Keller-Bibliothek auf dem Weg zur Southwest Jiaotong University zu Chengdu

Der Aufbau eines chinesischen Goethe-Zentrums, zunächst initiiert von Prof. Yang Wuneng, stellte für das Ehepaar Keller ein wichtiges Anliegen dar. Dies um so mehr, als mit Prof. Wunengs Schüler, dem Germanisten Prof. Guanghua Mo, vor etlichen Jahren selbst Stipendiat in Weimar, eine Kontinuität in der Goethe-Vermittlung gesichert war, die 2013 zur Gründung eines wissenschaftlichen Goethe-Zentrums an der Southwest Jiaotong University zu Chengdu unter Leitung von Professor Mo führte.Vor drei Jahren, im März 2018, erreichte mich die Bitte des Präsidenten der Weimarer Goethe-Gesellschaft, bei der Überführung der Keller-Bibliothek tatkräftig Hilfe zu leisten. In Abstimmung mit Frau Dr. Mechthild Keller, mit Prof. Guanghua Mo und Prof. Golz in Weimar galt es, einen letzten Wunsch des Verstorbenen zu erfüllen. Damals wussten wir nicht, dass der Auftrag ganze drei Jahre in Anspruch nehmen würde. Unvorhersehbare Hindernisse waren nach und nach aus dem Weg zu räumen. Zunächst ging es um die Dokumentation aller Titel, Autoren und der ISBN-Nummern – soweit vorhanden –, die von der chinesischen Zollbehörde verlangt wurde. Schließlich forderten die zuständigen Behörden genauere Angaben zum Inhalt der auszuführenden Buchbestände als Bedingung für die Erteilung einer Einfuhrerlaubnis. Das Ganze musste in chinesischer Sprache verfasst werden, ein Unternehmen, das Frau Dr. Keller und eine chinesische Studentin, Frau Gao, etwa ein Dreivierteljahr beanspruchen sollte. Nahezu ein Jahr nach Einreichung und amtlicher Prüfung entsprechender Unterlagen konnte Prof. Mo mitteilen, dass einer Überführung der Bibliothek an ihren Bestimmungsort nichts mehr im Wege stehe. Die Arbeit, die Prof. Mo sowie die Leiterin der Universitätsbibliothek, Frau Zhou, in dieser Zeit für das Projekt im Hintergrund geleistet haben, können wir nur dankbar erahnen. Die logistische Organisation des Transfers übernahmen die zuständigen chinesischen Stellen in perfekter Weise. Am 23. November 2020 nahm Frau Dr. Keller Abschied von der Bibliothek ihres Mannes. Mitte Dezember trafen 92 Kisten aus Köln im Hamburger Hafen ein, wo sie in einen riesigen Schiffscontainer verfrachtet wurden. Es handelte sich um einen von 24.000 Containern, die am 16. Dezember 2020 auf der HMM ALGECIRAS, dem zur Zeit größten und modernsten Containerschiff der Welt, die Fahrt Richtung östliches Mittelmeer aufnahmen. Am 14. Januar 2021 passiert die ALGECIRAS den Suez-Kanal, am 3. Februar trifft die Fracht mit der Bibliothek im Hafen von Shanghai ein. Nach etwa 2000 Kilometern über Land erreichen die 92 Kisten ihren Bestimmungsort , wo sie wegen der Corona-Epidemie erst einmal für zwei Wochen in einem Raum gesichert in Quarantäne verbleiben. Im März 2021 berichtet die Zeitung der Southwest Jiaotong University vom Eintreffen der Bücher. Darin heißt es: „Die von Prof. Keller gespendeten deutschsprachigen Bücher belaufen sich auf mehr als 3000 Bände, darunter seltene Exemplare und Materialien, die von großem wissenschaftlichem und dokumentarischem Wert sind. Im nächsten Schritt wird eine Werner Keller-Bibliothek in Form eines speziellen Lesesaals gebaut und eingerichtet werden, der allen Lehrern und Studenten der Universität zugänglich sein wird, wodurch eine bedeutende Brücke zur deutschen Kultur geschlagen werden kann.“ Mit großer Freude und Dankbarkeit haben Frau Dr. Keller und alle an der Lösung dieser Aufgabe Beteiligten die Nachricht aus Chengdu aufgenommen.

Dieser Artikel erschien zuerst im Newsletter der Goethe-Gesellschaft, Ausgabe 2/2021.


* Die vorgesehene Bezeichnung „Werner Keller-Bibliothek“


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