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Willkommen und Abschied – Ein Blick zurück und nach vorn
Was könnte geeigneter sein, eine Schwellensituation in der Geschäftsstelle der Goethe-Gesellschaft zu beschreiben, als die sprachliche Anleihe bei einer Titelzeile ihres Namensgebers. Am 31. Mai 2022 haben Dr. Petra Oberhauser und Cornelia Brendel ihre Tätigkeit beendet und die Geschäfte in jüngere Hände gelegt, in die von Dr. Hannes Höfer und Jessica Krey. Das geschah am Abschiedstag keineswegs in der Stille – eine kürzere gemeinsame Einarbeitungszeit war vorausgegangen –, sondern in festlicher Runde, zu der sich Vorstandsmitglieder, Freunde und Weggefährten der Goethe-Gesellschaft eingefunden hatten. Natürlich war Prof. Matuschek anwesend, der in seiner präsidialen Eigenschaft Worte des Lobs und der Anerkennung sprach. Bemerkenswert auch, dass Frau Dr. Lorenz, Präsidentin der Klassik Stiftung und Mitglied unseres Beirats, mit zwei ihrer Mitarbeiterinnen gekommen war – Zeugnis eines guten und vertrauensvollen Verhältnisses zwischen Klassik Stiftung und Goethe-Gesellschaft. Die Ortsvereinigungen waren in Gestalt von Frau Dr. Heuchel, Vorsitzende der Ortsvereinigung Sondershausen, des Vorsitzenden aus Aachen, Herrn Prof. Dr. Helmut Schanze, des Ehepaares Rumler aus Bremen und des Ehepaares Kemter aus Gera vertreten, die aus der eben zurückliegenden Tagung der Ortsvereinigungen ein besonders hübsches Geschenk mitgebracht hatten; sie hatten nämlich jeweils für Frau Dr. Oberhauser und Frau Brendel so etwas wie ein Erinnerungs-Poesiealbum in Bad Alexandersbad ausgelegt, in das sich alle eintragen konnten. Geschenke, Blumengrüße vor allem, gab es reichlich. Aus der Druckerei Keßler, mit der wir seit langem zusammenarbeiten, kam eine besonders aparte Gabe. Was darin insgesamt zum Ausdruck kam, waren Dank und Anerkennung für eine jahrzehntelange Tätigkeit zum Wohl der Goethe-Gesellschaft. Dass solcher Dank auch in den vielen persönlichen Gesprächen ausgesprochen wurde, versteht sich von selbst. Wieder einmal zeigte sich, dass das Gespräch durch nichts zu ersetzen ist. Ein aus solchen Dialogen erwachsendes Bewusstsein von Freude und Zuversicht möge beide lange begleiten.
Ein Blick zurück sei mir erlaubt. Eine lange gemeinsame Arbeitszeit verbindet mich mit Petra Oberhauser und Cornelia Brendel. Als ich 1999 mein schönes Ehrenamt als Präsident der Goethe-Gesellschaft antrat, hatte Petra Oberhauser bereits die Geschäftsführung inne; einige Jahre vorher schon hatte ich sie in ihrer Eigenschaft als Redakteurin des Goethe-Handbuchs schätzen gelernt – Redaktion als idealer Einstieg in eine in höherem Maße verantwortungsvolle Tätigkeit. Cornelia Brendel wiederum hatte sich, bevor sie in die Geschäftsstelle kam, im Goethe- und Schiller-Archiv den klassischen Schätzen nähern können, als Verwaltungsmitarbeiterin wie als Betreuerin von Archivbenutzern.
Blicke ich zurück, so fielen meine ersten Amtsjahre in eine konfliktreiche Zeit, die ausgefüllt war mit Auseinandersetzungen um das Eigentum der Gesellschaft und um Satzungsfragen. Seither aber befindet sich die Gesellschaft in einem ruhigeren Fahrwasser, kann sie sich ihren im eigentlichen Sinne produktiven Aufgaben widmen. Wie immer die Zeiten waren, stets bin ich mit Gefühlen von Ruhe und Zuversicht in die Gesellschaftsräume im Schloss eingekehrt, in denen einstmals zu großherzoglichen Zeiten musiziert worden war. Es ist gar nicht so einfach, einem Außenstehenden die Aufgaben einer literarischen Gesellschaft fasslich zu machen. Leicht ist einzusehen, dass dem Jahrbuch als dem wichtigsten Bindeglied zwischen Vorstand und Mitgliedern besondere Aufmerksamkeit zuteilwerden muss. In ihrer redaktionellen Tätigkeit hat Petra Oberhauser Maßstäbe gesetzt. Redigieren bedeutet, mit dem Autor zu denken und ihn bei diesem Prozess in einer zuweilen intensiven Korrespondenz helfend zu begleiten. Für diesen Prozess brachte sie als promovierte Linguistin exzellente Voraussetzungen mit. Nahezu alle Autoren des Jahrbuchs sind ihr dafür dankbar gewesen, haben ihren Dank häufig in Briefen und Mails formuliert. Dass noch manches Andere nötig ist, um ein Jahrbuch zustande zu bringen – die Terminkontrolle, wenn nötig mit Strenge zu handhaben, das technische Einrichten des Gesamtmanuskripts, die Überwachung der Drucklegung –, sei noch hinzugefügt. Wenn das Jahrbuch stets pünktlich zur Jahresmitte die Mitglieder erreicht hat, ist das nicht zuletzt das Verdienst der Redakteurin. Wenn das erste druckfrische Exemplar in der Geschäftsstelle eintraf, war uns das manchmal ein Glas Sekt wert.
Die Geschäftsführung einer Gesellschaft wie der unsrigen innezuhaben, bedeutet aber weit mehr. Es bedeutet nicht zuletzt, in persönlichem Kontakt zu bleiben mit den Mitgliedern aus ganz unterschiedlichen Berufen, bei denen sich Goethe-Kenntnis und Goethe-Liebe in der Regel produktiv verbinden. Auf eine solche kulturelle Gemeinschaft muss sich das Jahrbuch, muss sich aber auch die Geschäftsführung einrichten. Alle zwei Jahre in der Woche nach Pfingsten findet die Hauptversammlung der Goethe-Gesellschaft statt, die den Charakter eines wissenschaftlichen Kongresses besitzt; nur 2021 hat die Pandemie das Zusammentreffen der Mitglieder unmöglich gemacht. In die Vorbereitung einer Hauptversammlung haben sich Petra Oberhauser und Cornelia Brendel geteilt, erstere kümmerte sich vor allem um die Struktur des Ganzen, um das wissenschaftliche Programm und dessen Überleitung in druckfähige Jahrbuchmanuskripte, letztere um die unzähligen organisatorischen Detailprobleme, die eine solche Großveranstaltung mit sich bringt. Im Tagungsbüro waren dann stets noch die letzten offenen Fragen zu klären. War die Hauptversammlung vorbei, konnte aufatmend Bilanz gezogen werden – meist in gemeinsamer geselliger Runde mit den Helferinnen vor allem aus dem Kollegenkreis der Klassik Stiftung. Ein zusätzlicher Ertrag aus der Arbeit im Tagungsbüro war der persönliche Kontakt mit unseren Gästen. Vom exzellenten Personengedächtnis von Cornelia Brendel, da oder dort gewonnen, habe ich oft profitieren können.
In den letzten beiden Jahrzehnten hat sich ein gesellschaftlicher Wandel vollzogen, von dem auch die Goethe-Gesellschaft ergriffen worden ist. Neue Medien haben in die Kommunikation mit den Mitgliedern Einzug gehalten. Petra Oberhauser hat diesen Wandel aufmerksam wahrgenommen und – im Austausch mit Vorstand und Beirat – angemessen darauf reagiert. Gemeinsam mit unserem Gestalter Steffen Heinze hat sie die Website der Goethe-Gesellschaft entwickelt und stets auf neuen Stand gebracht. Während die Website so mancher literarischen Gesellschaft über ein Veranstaltungsangebot nicht hinausgeht, spiegelt sich in der unseren – so viel Eigenlob muss sein – das Leben der Gesellschaft umfassend wider. Auch auf Facebook hat uns Petra Oberhauser einfallsreich und witzig vertreten, hat sie eine stabile Gemeinschaft von ‚Followern‘ geschaffen. Bei alledem ist der traditionelle Kontakt zu den Mitgliedern nicht vernachlässigt worden, der Austausch per Brief oder Telefon nicht zum Erliegen gekommen. Die Goethe-Gesellschaft besitzt eine internationale Mitgliedschaft, unterhält Beziehungen zu zahlreichen ausländischen Goethe-Gesellschaften, verfügt über das Werner-Keller-Stipendienprogramm, das in jedem Jahr jungen Wissenschaftlern Arbeitsaufenthalte in Weimar möglich macht. Solche Kontakte zu pflegen macht eine gute Geschäftsführung aus. Besondere Ereignisse erfordern zuweilen auch besondere Anstrengungen. Um ein Beispiel zu geben: Als ein Schriftsteller aus Bitterfeld seine Goethe-Sammlung in gute Hände geben wollte, hat Petra Oberhauser in Abstimmung mit der ungarischen Goethe-Gesellschaft dafür gesorgt, dass die Sammlung in die Obhut der Ungarischen Akademie der Wissenschaften gelangen konnte.
An diesem Punkt muss auch die Tätigkeit von Cornelia Brendel ins Spiel kommen. Hatte Petra Oberhauser gewissermaßen die intellektuelle Oberhoheit über die Geschäfte der Goethe-Gesellschaft, so sorgte Cornelia Brendel für die ökonomische Basis, ohne die auch eine literarische Gesellschaft nicht existieren kann. Denn eine solche Gesellschaft lebt von den jährlichen Beiträgen der Mitglieder, lebt auch von deren Spenden, dargereicht in dem Bewusstsein, weltweite Bemühungen um Goethe, kulturpolitisch wirksame wie im engeren Sinne wissenschaftliche, unterstützen zu wollen. Oft habe ich unseren Mitgliedern dafür danken können. Das finanzielle Geschehen in der Gesellschaft muss ordentlich verwaltet und übersichtlich dargestellt werden. Die großen Aktivitäten der Gesellschaft – Jahrbuch, Hauptversammlung, Stipendienprogramm – bedürfen der öffentlichen Unterstützung durch staatliche Institutionen, die Deutsche Forschungsgemeinschaft und private Stiftungen. Für die finanziellen Partien der dafür nötigen Anträge war Cornelia Brendel verantwortlich, ebenso für die Haushaltsplanung der Gesellschaft. Dank ihrer reichen Erfahrungen habe auch ich mich in gewisser Weise zu einem Haushaltsexperten entwickeln können.
Irgendwo muss ich innehalten, denn ich kann hier keine lückenlose Bilanz für die Tätigkeit der Geschäftsstelle ziehen. In meinen Rechenschaften zur Hauptversammlung habe ich nie versäumt, Dank zu sagen – wer möchte, kann die einschlägigen Goethe-Jahrbücher zu Rate ziehen. Dank sei auch hier noch einmal gesagt für eine lange und fruchtbare gemeinsame Tätigkeit, die sich stets im Zeichen von Sachlichkeit, die das Klären von Differenzen nicht ausschloss, und von Harmonie im Menschlichen vollzogen hat. Seit 2019 hat Prof. Dr. Matuschek das Präsidentenamt inne. Was ich hier zu Papier gebracht habe, glaube ich auch für ihn formulieren zu können.
Blicke ich nach vorn, so geschieht auch dies im Zeichen von Vertrauen und Zuversicht. Die Geschäftsführung ist in die Hände von Dr. Hannes Höfer übergegangen, der vorher an der Universität Jena tätig war, die Arbeit von Frau Brendel hat Jessica Krey übernommen, und zwar auf halber Stelle, so dass einige Aufgaben, die vorher bei Frau Brendel angesiedelt waren, jetzt von Herrn Höfer erledigt werden müssen. Neu ist auch, dass die Redaktion des Goethe-Jahrbuchs künftig von Anne Fuchs, einer Wissenschaftlerin der Klassik Stiftung, im Goethe- und Schiller-Archiv wahrgenommen wird. Wie stets, vollziehen sich Wechsel in einem Gemisch von Tradition und Erneuerung. Wie heißt es in Fontanes „Stechlin“: „Alles Alte, soweit es Anspruch darauf hat, sollen wir lieben, aber für das Neue sollen wir recht eigentlich leben.“ Dass sich das Neue auch an einem neuen Ort vollzieht – die Geschäftsstelle musste ihr altes Quartier im Schloss aufgeben und hat neue Räume im Bibliotheksquartier bezogen –, sei nicht vergessen. Noch fehlt es uns an einer rasch wahrnehmbaren äußeren Beschriftung, gleichwohl sind wir im Zentrum Weimars gut zu erreichen. „Willkommen bei Goethe“ ist unser Jahresprogramm überschrieben. Das soll als Einladung an alle zu verstehen sein.