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Vortrag zu Goethes Anonymitätspolitik
Am 21. Februar 2023 spricht Helene Kraus von der Ludwig-Maximilians-Universität München in unserer Vortragsreihe zu dem Thema „Über ‚die absolute Aufhebung aller Anonymität in Druckschriften‘. Goethes Anonymitätspolitik“.
Anonyme Autorschaft war im 18. Jahrhundert keineswegs eine singuläre Erscheinungsform, vielmehr eine fest etablierte Publikationspraxis. Berühmte Werke wie „Die Räuber“, „Die Geschichte des Fräuleins von Sternheim“, „Die Soldaten“, „Der Hofmeister“, „Florentin“, „Agnes von Lilien“, „Abdallah“, „William Lovell“, „Die Geschichte des Agathon“, „Philotas“, „Die Nachtstücke“ gingen ohne Angabe ihrer Urheber in den Druck. Auch Goethe befasste sich zeitlebens mit dem Phänomen der anonymen Autorschaft: Zunächst als Schriftsteller und Rezensent, der selbst davon Gebrauch machte und Texte wie „Götz von Berlichingen“, „Die Leiden des jungen Werthers“ sowie literaturkritische Arbeiten in den Frankfurter Gelehrten Anzeigen ohne Namensnennung veröffentlichte; später als Bibliotheksleiter, auf dessen Initiative die bis heute überlieferten Anonymenkataloge der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar und der Jenaer Universitätsbibliothek zurückreichen, als Selbsteditor, der für die Ausgabe letzter Hand verzweifelt versuchte, seine in den 1770er Jahren anonym erschienenen Rezensionen ausfindig zu machen, sowie als Politiker und Jurist, der sich 1808 vehement für „die absolute Aufhebung aller Anonymität in Druckschriften“ einsetzte. Der Vortrag rekonstruiert Goethes ambivalentes Verhältnis zu Anonymität und fragt nach den Hintergründen seiner wechselhaften Positionierung.
Helene Kraus ist seit 2022 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München, zuvor war sie Mitarbeiterin an den Universitäten Heidelberg (2021–2022), Bielefeld (2018–2022) und Jena (2016–2018). Ihre Promotion zum Thema „Anonyme Autorschaft. Literaturgeschichtliche Studien 1750–1830“ hat sie im Dezember 2022 abgeschlossen. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen darüber hinaus die Lektüre- und Schreibpraktiken Charlotte von Schillers sowie die Fachgeschichte der Germanistik des 20. Jahrhunderts.
Der Vortrag findet im Festsaal des Goethe-Nationalmuseums statt, Beginn ist 18 Uhr. Der Eintritt ist frei, um eine Spende wird gebeten. Nach der Veranstaltung wird herzlich eingeladen, das Gespräch in geselliger Runde in einem Weimarer Restaurant fortzusetzen.