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Klassik kreativ kennenlernen – Weimarer Schüler gestalten Advents-Kalender
Zu Weihnachten bekommt man vielerorts Advents- und andere Kalender angeboten. In zartem Grün, das Frühjahr und treibende Knospen bereits vor dem geistigen Auge im Blick, kommt eine ungewöhnliche Jahresend-Gabe der Klassik Stiftung Weimar daher, schlank mit knapp 100 Seiten, klein im Postkarten-Format. Überschrieben ist das Büchlein: „Türen auf! Adventskalender-Geschichten mit Sophie“. Ein Projekt von Schülerinnen und Schülern einer 7. Klasse des Weimarer Humboldt-Gymnasiums mit ihrer Kunstlehrerin Christiane Haak und Yvonne Pietsch von der Klassik Stiftung.
Die Jugendlichen haben recherchiert und ihre Ergebnisse künstlerisch umgesetzt, Archivalien in Kopie arrangiert und zu Collagen montiert. Aufwand erfordert so ein pädagogisches Vorhaben, „normaler“ Unterricht sieht anders aus. Dafür wirken solche Projekte längerfristig und nachhaltig, begeistern Schüler für Literatur und motivieren sie, kreativ tätig zu werden, erreichen sicher nicht nur die unmittelbar Beteiligten, sondern deren Freunde und Familien. Beeindruckend ist, was hier in den Montagen an Themen angesprochen wurde und anregt zu weiterem Nachdenken.
Wie kann es gelingen, mögen sich die jungen Künstler gefragt haben, in Buchform den Charakter eines Kalenders mit täglich wechselndem Lektüre-Angebot zu wahren? Wenn man jeden Morgen nur ein Türchen öffnen soll? Dahinter verbergen sich jeweils eine Geschichte, ein Gedicht oder Brief, Notenblatt und eine collagierte Illustration der Schüler. Stets recht kurz, aber immer wieder von neuem verlockend. Leicht erliegt man der Versuchung, wie bei einem spannenden Buch, möglichst rasch bis zur letzten Seite vordringen zu wollen.
Recht einfach war die Lösung, orientiert an bibliophilen Schätzen des Archivs. Geliefert wird der Kalender, wie man früher Bücher erhielt: als Druckbögen, die noch aufzuschneiden sind. So kann man jeden Morgen, nach dem Motto: frisch Geselle, sei zur Hand … beim Frühstück nach dem Brotmesser greifen und eine Doppelseite entlang der Falzkante aufschlitzen.
Ein breites Spektrum blättert man in den so erschlossenen Lesestoffen auf. Ziel war auch, die Vielfalt an Schätzen des Archivs zu zeigen. Die Abfolge beginnt mit einer Einladung, einst von Sophie von Sachsen-Weimar-Eisenach an Walther von Goethe gerichtet, ihn zur weihnachtlichen Feier zu bitten (am 1. Dezember). Gleich mehrfach erweist sich der einladende Charakter des Textes. Zunächst galt er dem Enkel, dessen Großzügigkeit und der seiner Geschwister wir die Tatsache verdanken, dass Goethes Erbe nicht verkauft und verstreut wurde, sondern weitgehend geschlossen erhalten blieb, weil er es der Großherzogin vermachte. Eine Einladung bietet diese Anthologie heutigen Lesern, die Welt Goethes zu erkunden.
Es folgt ein Weihnachtsgedicht des jugendlichen Georg Büchner an seine Eltern von 1828 (zu öffnen am 2. Dezember). Am 5. Dezember wird daran erinnert, dass Ludwig Achim von Arnim 1827 Goethe ein nobles Geschenk zum Fest der Liebe überreichte: 21 Briefe für dessen Autographen-Sammlung. Handschriften damals umschwärmter Berliner Schauspielerinnen sowie von preußischen Königen und Beamten. Auch August und Ottilie von Goethe kommen zu Wort mit einem Brief des Sohns und künstlerischen Beiträgen der Schwiegertochter. Herder, die Brüder Humboldt und Wieland treten auf, runden diesen handlichen Überblick mit wissenschaftlichen und philosophischen Aspekten ab. Goethes Verständnis von „Welt! Literatur“ als interkulturellem Dialog wird am 10. Dezember erläutert und collagiert.
Insgesamt bietet das kleine Taschen-Kompendium in täglichen Häppchen nicht nur für Schüler einen hübschen Einstieg in Leben und Werk des Klassikers – falls dieses ambitionierte Schulprojekt fortgesetzt werden soll, freut man sich schon auf den nächsten Jahrgang.
Christiane Haak, Yvonne Pietsch
Türen auf! Adventskalender-Geschichten mit Sophie
Weimar 2024
96 Seiten
Erhältlich gegen eine Spende bei der Klassik Stiftung im Goethe- und Schiller-Archiv