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Unternehmer mit Ambitionen – eine neue Biografie über Bertuch

von Andreas Rumler

Friedrich Johann Justin Bertuch (1747–1822) war mit seinen vielfältigen Interessen und Geschäftsideen eine der bedeutendsten und erfolgreichsten Persönlichkeiten des klassischen Weimar. Als Handelsunternehmer und Verleger angesehen, gewann er auch das Vertrauen von Herzog Carl August. Der ernannte ihn immerhin zu seinem „Schatullier“ und ließ sein privates Vermögen von ihm verwalten. Als Publizist arbeitete Bertuch an dem „Teutschen Merkur“ von Christoph Martin Wieland mit und übersetzte englische und französische Literatur. In Bertuchs Verlag erschienen Werke, die seinem Faible für Naturwissenschaft entgegenkamen und im weiteren Sinn informativen Charakter besaßen, Wissen vermittelten, der Bildung dienten.

Wenn Klaus-Werner Haupt ihn jetzt in seiner Biografie im Untertitel einen „Weltbürger und Visionär“ nennt, ist das gewiss nicht zu hoch gegriffen. Sein Jurastudium hatte Bertuch abgebrochen, um die Stelle eines Hauslehrers antreten zu können, nebenher wollte er literarisch tätig sein, publizierte eigene Dichtungen. Sein „Landes-Industrie-Comptoir“ darf man als frühe Form eines Misch-Konzerns begreifen, der in mehreren Sparten erfolgreich war, allerdings mit sozialem Anliegen. So bot er in seiner Kunstblumenfabrik jungen Frauen die Möglichkeit, eigenes Geld zu verdienen. Auch Goethes spätere Frau Christiane von Goethe machte in ihren jungen Jahren von diesem Angebot Gebrauch. Bezeichnend für Bertuchs Absichten ist seine Schrift: „Wie versorgt ein kleiner Staat am besten seine Armen und steuert der Betteley? Ein möglicher Versuch“ – sie erschien 1782 in Leipzig und Dessau (S. 33). Weit über die Landesgrenzen Sachsen-Weimar-Eisenachs hinaus waren seine Kunstblumen ein Verkaufsschlager, in Frankfurt gehörte Mutter Goethe zu den Kundinnen. Sie war begeistert und schrieb an Herzogin Anna Amalia: „Der Blumenkorb ist ein solches Meisterwerck, das gar nicht genug bewundert werden kan“ (S. 34).

Pressefreiheit im Spagat zwischen Aufklärung …

Maßstäbe setzten verschiedene Publikationen und Periodika von Bertuch, wie etwa sein zwölfbändiges „Bilderbuch für Kinder“ – ein Lese- und Unterrichtswerk, das in monatlich erscheinenden Lieferungen „technische Errungenschaften, Botanik und Geschichte“ (S. 43) kindgerecht darstellen sollte und mit 1185 Tafeln und 6000 Stichen illustriert war, eine Art Enzyklopädie speziell für Jugendliche. Für die damalige Zeit eine ungewöhnlich ambitionierte und moderne Idee. Übernommen hatte Bertuch sie aus Frankreich: Als Vorbild diente ihm „‚Le porte-feuille des enfants‘ (ab 1784) des Pariser Zeichners und Kupferstechers Cochin“ (S. 43).

Bertuchs „Journal des Luxus und der Moden“, er gab es seit 1786 heraus, kann man mit seinem breiten Informationsangebot in Bezug auf moderne Technik und Lektüre zur Unterhaltung und Wissensvermittlung als frühe Form eines Magazins verstehen, einer thematisch ein weites Spektrum umfassenden Illustrierten. An französischen Journalen hatte Bertuch sich orientiert und stellte weit mehr zur Diskussion als nur Themen der Mode oder Fragen des Mobiliars. Dieser publizistischen Großtat hatte das Goethe Museum Düsseldorf eine Ausstellung mit einem reich bebilderten Katalog gewidmet, wir berichteten darüber:

In seinen besten Zeiten erreichte das Journal rund 25.000 Leser. Denen bot es in den gut vier Jahrzehnten seines Erscheinens von 1786 bis 1827 rund 12.000 Textbeiträge und 1.500 Abbildungen auf 40.000 Druckseiten.

… und feudaler Zensur

Weniger Glück hatte Bertuch mit seiner liberalen Tageszeitung: dem „Oppositions-Blatt oder Weimarische Zeitung“. Es erschien ab Januar 1817. „Mit einer Auflagenhöhe von 3.000 Stück zählte es zu den erfolgreichen Formaten“ (S. 89). Offenbar war das „Oppositions-Blatt“ trotz dem „Großherzoglichem Sächsischem Privilegio“ (S. 89) nicht überall wohlgelitten und musste im November 1820 den Verkauf einstellen, weil Fürst Metternich von Wien aus intervenierte.

Als „Weltbürger“ dachte Bertuch auch bei der Herausgabe seiner „Blauen Bibliothek“: „Nach dem Vorbild der französischen ‚Bibliothèque bleu‘ sollten Feenmärchen, ebenso Sagen, Abenteuererzählungen und Romane von neumodischer ‚unverdaulicher Geisteskost‘ ablenken“ (S. 41). Damit waren Schriften gemeint, die im Zuge der Französischen Revolution politische Fragen aufwarfen und zu Kritik anregen konnten. Bertuch besaß als Unternehmer Sinn für gewinnträchtige Geschäfte. Sein ehemaliges Wohn- und Geschäftshaus ist eines der prächtigsten Bürgerhäuser Weimars, heute beherbergt es das Stadtmuseum.

Auf 120 Seiten nähert sich Klaus-Werner Haupt seinem außergewöhnlichen und im Rahmen der klassischen Weimarer Prominenz leider ein wenig stiefmütterlich behandelten Helden. „Ihn ganz kennen zu lernen,“ schreibt Haupt, „war nicht der Anspruch dieser Publikation. Gewürdigt werden sollte der Hofbeamte und Unternehmer sowie Förderer zahlreicher Akademien und Gesellschaften, der über die Grenzen des Herzogtums hinaus Bedeutung erlangte“ (S. 93). Ob es sich allerdings in seinem Fall wirklich um den „bedeutendsten Verleger der Goethezeit“ (S. 94) handelte, darf man bei allem Wohlwollen seinen Leistungen gegenüber bezweifeln. Goethe ließ unter anderem bei Cotta veröffentlichen, Campe gab Heinrich Heine heraus.

Bei seiner Darstellung geht Haupt chronologisch vor, gliedert sie in 12 Kapitel mit einer Vorrede, einem Nachwort und ausführlichem Anhang. Mit farbigen Abbildungen und separat gesetzten informativen Textblöcken ist der Inhalt leserfreundlich gestaltet. Zitatnachweise (S. 95–104), „Ausgewählte biografische Daten“ (S. 105–108), eine Bibliografie (S. 109), eine Liste „Ausgewählte Publikationen bzw. Herausgeberschaft“ (S. 110), ein Abbildungsverzeichnis (S. 111–112) sowie ein „Personenverzeichnis“ (S. 113–120) schließen als Anhang die Biografie ab. Letzteres listet allerdings leider nur die Namen der Betreffenden auf, ergänzt um Geburts- und Sterbejahr. Hilfreicher wäre es gewesen, wenn dort auch auf die Seitenzahlen im Text hingewiesen worden wäre, an denen die Personen erwähnt werden. Aber vielleicht lässt sich diese Ergänzung ja bei einer neuen Auflage nachholen.

(c) Bertuch Verlag

Klaus-Werner Haupt
Bertuch – Weltbürger & Visionär

Weimar 2024
120 Seiten, mit farbigen Abbildungen
ISBN 978-3-86397-190-8

Preis: 15,00 €


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