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Skandal in Raten – Christian Liedtke verglich im Goethe-Museum Düsseldorf Goethes, Heines und Egks „Faust“ Skandal in Raten

von Andreas Rumler

Goethes „Faust“ dürfte weltweit die meistgespielte deutsche Tragödie sein. Weniger bekannt ist, dass Heinrich Heine ebenfalls eine eigene Adaption veröffentlichte unter dem Titel „Der Doktor Faust. Ein Tanzpoem, nebst kuriosen Berichten über Teufel, Hexen und Dichtkunst“. Als besonderes Bonbon im Programm des Goethe-Museums Düsseldorf in Schloss Jägerhof präsentierte Christof Wingertszahn einen Vortrag des ausgewiesenen Heine-Kenners Christian Liedtke, der diese literarischen Bearbeitungen miteinander verglich und intensiv auf das Verhältnis der Dichter einging.

Heine habe dabei stets ein „literarisches Schattenboxen“ mit Goethe veranstaltet, so der Befund von Christian Liedtke, „manchmal polemisch, manchmal poetisch, aber immer originell“. Er charakterisierte dieses letztlich einseitige Duell mit Humor, was der gut besuchte Saal immer wieder mit Gelächter quittierte.

Literarisches Schattenboxen …

Heines Verhältnis zu Goethe sei ambivalent gewesen, führte Christian Liedtke aus. Einerseits bewunderte er Goethes Lyrik und war fasziniert speziell von dessen „Faust“. Andererseits war Goethe für jüngere Autoren ein gefürchteter „Übervater“, dessen „Kunstbehaglichkeit“ (Heine) nach seiner Ansicht nicht in die moderne Zeit des „Ideenkampfes“ passte. Heine begriff sich immerhin in der Nachfolge Goethes und sah sich als „der große Heide Nr. 2“. Besonders Goethes „Faust“ lässt sich als Kritik der Religion lesen.

Christian Liedtke. Foto: Andreas Rumler

Ob als Sagenfigur, Motiv der Bildenden Kunst, Held im Puppenspiel oder in Goethes Tragödie, die er als „die weltliche Bibel der Deutschen“ rühmte – in vielerlei Gestalt taucht „Faust“ in Werken Heines auf. Nach seiner Harzreise besuchte er 1824 Goethe in Weimar, äußerte sich aber kaum über die persönliche Begegnung und die Stadt, deren Bier er als „wirklich gut“ anerkennend erwähnte. Das ist erstaunlich, haben doch sonst fast alle Besucher detaillierte Schilderungen ihrer Treffen mit Goethe hinterlassen, schon um die eigene Rolle zu würdigen. Jahre nach Heines Tod überlieferte sein Bruder Maximilian die Anekdote, Goethe habe Heine rasch verabschiedet, als der sagte, er arbeite an einem eigenen „Faust“.
Heines „Tanzpoem“ entstand als Auftrag des Londoner Operndirektors Benjamin Lumley. Der hatte Heine in Paris besucht und versprach sich von einer Bearbeitung des Teufelsbündlers für die Bühne mit Musik und Tanz klingenden Erfolg, wie ihn damals das Ballett „Giselle“ erzielen konnte; Heine hatte daran mitgearbeitet.

So verfasste der in wenigen Monaten sein Libretto für das Faust-Ballett, es wurde jedoch aus verschiedenen Gründen in London damals nicht aufgeführt, Heine erhielt ein Ausfallhonorar. Heine wollte das Werk stattdessen im Rahmen der Gedichte im „Romanzero“ veröffentlichen. Julius Campe befürchtete allerdings Probleme mit Preußens Zensur und wollte das Erscheinen des Zyklus nicht gefährden. So kam es 1851 zu der Einzelpublikation mit einer Startauflage von 5.000 Exemplaren.

… vor traditionellem Hintergrund …

Anstößig schienen einzelne Szenen und auch der freizügig gestaltete Einband – ein Novum damals, das Buch äußerlich zu illustrieren. Während man in Berlin die erste Veröffentlichung eher gelassen hinnahm, erregte das Ballett knapp 100 Jahre später in München 1948 die Gemüter. Werner Egk hatte sich von Heines Text zu einem eigenen Ballett „Abraxas“ inspirieren lassen, eng orientiert an Heines Vorlage, und war damit so umstritten wie erfolgreich.

Wenige Jahre nur, nachdem man in Deutschland nach Büchern auch wieder Menschen verbrannt hatte, wie Heine seinerzeit prophezeite, empörte sich der Münchner Bischof über das Libretto. Daraufhin verbot der Kultusminister Alois Hundhammer (CSU) dessen Verkauf und ließ das Stück gleich ganz absetzen. Das gelang ihm freilich erst nach der Sommerpause, bis dahin hatten 5 Aufführungen stattgefunden. Der „Spiegel“ berichtete 1948: „Nach dem 38. Vorhang war der bisherige Beifallsrekord der Münchner Staatsoper seit Jahrzehnten gebrochen. Erst nach dem 48. Vorhang konnten sich Werner Egk […] und das Tanz Dreigestirn […] von der entfesselt huldigenden Menge verabschieden. Am Bühnenausgang setzten sich die lärmenden Ovationen mit Autogrammkämpfen fort.“

… bis hin zu Zensur

Lebhafte Diskussionen in der Presse und im Landtag folgten. Die juristischen Auseinandersetzungen endeten mit einem Vergleich. Letztlich führte dieser kleine Münchner „Skandal“ dazu, dass Werner Egks Kompositionen mehr beachtet wurden und das Ballett „Abraxas“ durch eine Neuinszenierung in Berlin insgesamt 95 Aufführungen erlebte, auf Gastspieltourneen in der Bundesrepublik immer wieder aufgeführt wurde und sogar im Ausland in der Königlichen Oper in Stockholm.

Diese Auseinandersetzung in Raten über den Umgang mit dem Stoff des „Faust“ seit der Begegnung Goethes und Heines in Weimar bis hin zu den empörten Debatten in München, schilderte Christian Liedtke anschaulich und amüsant. Die lebhafte Diskussion wie der langanhaltende Beifall belegten, wie aktuell „Faust“ bis heute geblieben ist.


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