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Aus dem Leben der Goethe-Gesellschaft, Interview

Neu im Beirat: Die Präsidentin der Klassik Stiftung Weimar Frau Dr. Ulrike Lorenz


Dr. Ulrike Lorenz (Jahrgang 1963) ist seit 2019 Präsidentin der Klassik Stiftung Weimar. Zuvor war sie von 2009 bis 2019 Direktorin der Kunsthalle Mannheim. Unter ihrer Leitung entstanden der zukunftsweisende Neubau der Kunsthalle mit dynamischem Museumskonzept und einer beispielhaften digitalen Strategie. Ulrike Lorenz hat Kunstgeschichte und Archäologie in Leipzig studiert und wurde in Weimar mit einer Arbeit über den Avantgarde-Architekten Thilo Schoder promoviert. Bereits 1990 leitete sie das Otto-Dix-Haus und die Kunstsammlung sowie ab 2003 auch das Stadtmuseum in Gera. Sie wirkte als Direktorin des Kunstforums Ostdeutsche Galerie in Regensburg (2004–2008). Lorenz war acht Jahre lang Vorstandsmitglied des Deutschen Museumsbundes e. V. und ist seit 2014 Mitglied der Akademie der Künste Berlin, Sektion „Bildende Kunst“, sowie im Leipziger Kreis der deutschen Kunstmuseen. 2018 wurde sie mit der Goldenen Ehrennadel des Frauenbrücke-Preises für die innere Einheit Deutschlands ausgezeichnet.

Frau Dr. Ulrike Lorenz hat sich zu unserer Freude bereit erklärt, im Beirat der Goethe-Gesellschaft mitzuwirken; wir setzen mit ihr die Vorstellung der Beiratsmitglieder in Frage und Antwort fort.

Wie fand ich zu Goethe und zur Goethe-Gesellschaft?

Umgekehrt wird mein Schuh draus: Wie fanden Goethe und die Goethe-Gesellschaft zu mir? Denn nach meinem Abitur in tiefsten DDR-Zeiten, 1983 an der Erweiterten Oberschule „Johann Wolfgang von Goethe“ in der ostthüringischen Industrie- und Arbeiterprovinzzentrale Gera, war ich für die nächsten Jahrzehnte gänzlich von Goethes guten Geistern verlassen. Die mythische Abituraufgabe lautete: „‘Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen.‘ – Interpretieren Sie diesen Satz und wenden Sie ihn auf Ihr Leben an.“ Da stand ich nun, ich arme Törin!

Nach einem Kunstgeschichtsstudium und dreißig Jahren weitgespannter Berufserfahrungen in Museen moderner und zeitgenössischer Kunst diesseits und jenseits der sich auflösenden innerdeutschen Stacheldrahtnaht bin ich unerwarteterweise heute als Präsidentin der Klassik Stiftung Weimar verantwortlich für das komplexe Erbe des Dichterhauses und seiner Sammlungen, der Handschriften und Archive, der vollendeten und unvollendeten Projekte Goethes. Verantwortlich vor allem auch dafür, dass und wie das mit jeder Erbengeneration sich anreichernde „Kollektivwesen“ namens Goethe in eine herausfordernde Gegenwart und ungewisse Zukunft kommt. Ich walte meines Amtes in jenem Ostflügel des Residenzschlosses Weimar, dessen programmatischer Klassizismus von Goethe als herzoglichem Bauberater geprägt wurde – Tür an Tür mit der Geschäftsstelle der ehrwürdigen Goethe-Gesellschaft. Wer sich fast täglich auf Treppen und Fluren begegnet, kommt über die gemeinsame Verantwortung rasch ins Gespräch und zu kooperativen Projekten.

Wie will ich die Goethe-Gesellschaft mitgestalten?

Ich imaginiere mir die Goethe-Gesellschaft als eine weltweite Geistesgemeinschaft, die sich in der intellektuellen und emotionalen Auseinandersetzung mit den Denkanstößen und der unverfügbaren Gestaltungskraft des Meisters in immer neuen Generationen- und Themen-Konstellationen zusammenfindet. In meiner Funktion möchte ich die Klassik Stiftung Weimar als einen zentralen Knoten in das substantielle Netzwerk aus Goethe-Kennern und -Liebhabern einbringen und aus dieser Perspektive die Goethe-Gesellschaft als ein „Lebendiges für die Lebendigen“ aktiv mitgestalten. Lassen Sie uns im Wechselspiel der „wiederholten […] Spiegelungen das Vergangene nicht allein lebendig erhalten, sondern sogar zu einem höheren Leben empor steigern“.

Dieser Artikel erschien zuerst im Newsletter der Goethe-Gesellschaft, Ausgabe 2/2020.


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