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Von Walther von Goethe bis Petr Eben – Liedtage XV in Weimar

von Karl-Peter Kammerlander

Während die vergangenen Liedtage XIV der Hochschule für Musik „Franz Liszt“ im Februar 2024 eine intensive und zusammenhängende Liedwoche bildeten, wird diesmal um den Monatswechsel Juni / Juli jede Woche mit einem Komponistenportrait bedacht. Dafür bilden die vier Abende im Festsaal des Fürstenhauses, die jeweils 19:30 Uhr beginnen, in ihrer Gesamtheit einen die Liedgeschichte von etwa der Mitte des vorvergangenen zur Mitte des vergangenen Jahrhunderts umspannenden Bogen …

Beginn ist am 19. Juni mit Liedern und Klaviermusik von Petr Eben (1929-2007). Petr Eben ist ein bedeutender Name vor allem für Orgel- und Chorliteratur, denn diesen Bereichen galt die kompositorische Zuwendung des zutiefst humanistischen und religiösen Tschechen besonders. In dieses Bild passen Klaviervariationen über den Osterhymnus „Veni creator spiritus“ natürlich treffend; aber die Betrachtung alles Menschlichen war dem Komponisten ebenso wichtig, so etwa in einem musikalischen Kommentar zu Kafkas „Briefen an Milena“, in einer Skizze aller Arten menschlicher Eigenschaften – von schrullig bis poetisch – in den „Kleinen Portraits“ und vor allem in seinen frühen, durchaus biographisch motivierten Liederzyklen („Heimliche Lieder“, „Minnelieder“, „Stille Lieder“).

Geschichtlich einen weiten Schritt zurück führt der nächste Abend am 25. Juni: Er war der letzte Nachfahre Johann Wolfgang von Goethes und hatte und hat es demgemäß schwer, im Schatten erkennbar zu werden – Walther von Goethe. Aber es sind faszinierende Lieder und Balladen des wenig beachteten, oft gar missachteten Zeitgenossen von Schumann, Liszt und Wagner, die an diesem Abend als Ergebnis mehrerer mehrtägiger interdisziplinärer und interhochschulischer Workshops erklingen. Zu entdecken sind – in Überschreitung der Grenzen des Mainstreamrepertoirs – eine eigene, oft innovative musikalische Sprache des Loewe- und Mendelssohn-Schülers, das vielseitige Werk einer facettenreichen, sensiblen Persönlichkeit und das Leben und Umfeld eines mit hoher Empathie für soziale Fragen begabten Künstlers.

Am 2. Juli folgen Johannes Brahms und Richard Strauss im Doppelporträt: Der eine beendete sein Liedschaffen zu einem Zeitpunkt, als der andere gerade anhob, es zu früher Meisterschaft zu entwickeln. Beide hegten nicht den Anspruch, als „Neutöner“ in die Musikgeschichte einzugehen. Brahms wendete sich zum Ende seines Lebens (nochmals) explizit dem deutschen Volkslied zu. Die heile Welt wird hier gerade nicht stilisiert. Dieser Versuchung erlag sinnigerweise Strauss und hinterließ uns einen Reigen floraler Visionen. – Der Abend unternimmt dabei auch den spannenden Versuch einer mitunter konfrontativen Gegenüberstellung.

Beschließend geht der Blick am 9. Juli weit nach Westen – Gabriel Faurés Bedeutung für die Musikgeschichte Frankreichs kann kaum überschätzt werden: feingeistiger Musikschriftsteller, revolutionärer Konservatoriumsdirektor, anregender Lehrer später bedeutender Komponisten, lebenslang Organist, glänzender Klavierimprovisator, vor allem aber natürlich Komponist. Zum Höhepunkt seines Schaffens fand Fauré nach Ansicht der meisten Kenner in der Vokalmusik, insbesondere in seinen Klavierliedern, denen der Abend gewidmet ist. Durch die chronologische Anordnung nach opera lässt sich die Entwicklung seiner Tonsprache von der salonesken Romanze über den damals frankreichtypischen „wagnerisme“ hin zu einer harmonisch mannigfaltigen, sehr eigenen poetischen Ausdrucksweise nachvollziehen.


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